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Krank? Nein, nur gekränkt.

Wie reagieren wir auf die pandemische Bedrohung? Wir sind gekränkt. Das meiste, was wir in den letzten 13 Monaten durchmachen mussten, war in unserem Fortschrittsprogramm nicht vorgesehen. 

Und dass nicht nur die Versprechungen der Trendforscher, sondern auch die besorgten Aufrufe der Klimaschützer von eher exotischen Begriffen wie Lockdown, Virenlast, Inzidenz, Übersterblichkeit, Superspreader, Maskenpflicht und Abstandsregel verdrängt wurden, hat den Nerv einer Gesellschaft getroffen. Einer Gesellschaft, die dachte, andere Sorgen zu haben. Und das hat uns gekränkt.

Eine gekränkte Gesellschaft ist eine zögerliche Gesellschaft. Es liegt im Wesen einer Epidemie, dass sie nur durch rasches und koordiniertes Verhalten bekämpft werden kann. Darin gründet die vielbeklagte Zunahme staatlicher Macht. Die dagegen ins Spiel gebrachte Selbstverantwortung war allerdings immer schon eine Ausrede für politische Unentschlossenheit.

Eine gekränkte Gesellschaft ist eine widerborstige Gesellschaft. Niemand lässt sich gerne bevormunden. Dem Imperativ zum gemeinsamen Handeln, kann nur entgehen, wer die Gefahr einer Infektion zu einer Fiktion erklärt. Die Attraktivität solcher Konzepte für Freigeister, Staatskritiker und anarchische Individualisten liegt auf der Hand.

Eine gekränkte Gesellschaft ist eine gespaltene Gesellschaft. Die Bruch- und Konfliktlinien orientieren sich nicht entlang der traditionellen sozialen Schichtungen, sondern bilden sich durch neue Betroffenheiten, die entsprechende Allianzen generieren. Unversöhnlich stehen sich die virologischen Lager gegenüber, jeder wittert im anderen den Hysteriker, Leugner oder Idioten.

Die Kränkung der gekränkten Gesellschaft sitzt so tief, dass manche die nun angebotene Impfung als Zumutung und weiteren Angriff auf ihre Freiheit interpretieren – so, als wollte man der Forschung und der Pharmaindustrie diesen Triumph einfach nicht gönnen. Zwar werden die Vakzine nicht alle Probleme mit einem Schlag lösen, doch manches liesse sich endlich wieder unter einer anderen Perspektive sehen. Aber auch hier gilt: Es kommt nicht darauf an, was die Dinge mit uns, sondern was wir mit den Dingen machen.

Von der gerühmten Resilienz, die als neue Modetugend propagiert worden war, ist kaum etwas zu spüren. Eher macht sich Jammern breit. Und wie wir wissen, macht das krank.

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