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Nachtrag schlimmer Worte

Zwischen zwei und drei Mal pro Minute hören wir das f-Wort  und so häufig kommt das schlimme f-Wort in US Filmen vor:

The Wolf of Wall Street    569 Mal

Summer of Sam                  435 Mal

Another Day in Paradiese 291 Mal

State of Grace                      230 Mal

The Big Lebowski               206 Mal

Um den Spaß noch weiter zu verderben, das f-Wort wird nicht zum Lustgewinn, sondern als Fluch gebraucht. Es darf gesagt werden, so lange keine lustvolle Anspielung auf die f-Aktion gemacht wird. Aggression und Abwertung, Herabsetzung und verbale Unterwerfung sind leider hoffähig. Sexscenen finden in den gleichen Filmen mit Bikini und Hosen statt, vielleicht weil die Schauspielenden weder S-haare noch G-teile haben.

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Schlimme Wörter

Schlimme Wörter lauern überall. Man will oft gar nicht und hört doch, vielleicht auf der Straße, oder in einem Cafe, im Bus, in der u-Bahn, im Zug, im Büro, auf der Arbeit, in der Schule, in einer Bank in der Warteschlange, beim Einkaufen oder sonstwo ein schlimmes Wort. Da man das gar nicht hören wollte und es doch gehört wurde, bleibt es auch im Ohr und will nicht vergessen werden. Manche Menschen werden durch solche Worte, die unerhört von anderen Menschen ausgesprochen wurden und nicht gehört werden wollten, dann doch im Gedächtnis bleiben, krank. Es gibt aber Hilfe. In den USA, wo solche Krankheiten sehr häufig auftraten, weil es dort sehr viele schlimme Wörter gibt, die im Katalog für political corectnes aufgelistet sind, werden landesweite Desensibilisierungsprogramme angeboten. Nicht von Ärzten oder Psychiatern, sondern von den Medien. Das Wort “fu…” gilt in den USA zum Beispiel als ein schlimmes Wort. Weil die Gefahr bestand, dass viele Menschen an diesem Wort erkranken können, wurde die landesweite Desensibilisierung durch Filme beschlossen. Amerikanische Filme der letzten Jahre sollen möglichst in jedem Satz, mindestens aber in jedem zweiten Satz einmal das “f…” Wort enthalten. Sollten mehrere Sätze von Frauen oder Kindern gesprochen worden sein und in diesen Sätzen das “f…” Wort nur wenig verwendet, dann kann eine männliche Stimme danach das Wort gleich 4 bis 7 Mal hintereinander sagen, oder besser raus schreien.

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Der Herr findet eine Freiheit mehr,

er findet nicht die Freiheit. Hatte die Freiheit auch nicht mehr gesucht, als er erkannte, dass er sich mit der Suche nach der Freiheit in ein Gefängnis eingeschlossen hatte. Die eine, richtige, wirkliche Freiheit suchen und finden wollen, das war eine Reduktion der Möglichkeiten zum, als Ideal phantasierten, einen Punkt. Der Herr wunderte sich darüber, dass er so viele Jahre das Spiel mit Einzahl und Mehrzahl nicht gesehen oder gehört hatte. Die Freiheit, also diese eine Freiheit, die richtige Freiheit war ein unerreichbares Konstrukt, in sich so widersprüchlich, weil diese eine Freiheit eine, die Richtigkeit definierende Autorität voraussetzte, der doch an Freiheit nicht gelegen sein konnte, sondern an Hierarchie zur Erhaltung der Autorität. Der Herr fühlte sich erleichtert, als er anstatt an die Freiheit, die Möglichkeit, die Wirkung, die Welt, die Logik, vielmehr Freiheiten, Möglichkeiten, Wirkungen, Welten, Logiken dachte.

Soweit der Beitrag des Herrn, jetzt folgen noch circa 750 Wörter für die Suchmaschinen. Viele Suchmaschinen bevorzugen Texte, die über tausend Wörter beinhalten. Der Herr liefert diese Wörter, denn er hat bei früheren Wörterlieferungen schon erfahren, dass sich interessante Aussichten auftun, wenn anfangs etwas knapp gehaltene Thesen weiter ausformuliert werden. Die Freiheit, in ihrer Einzahl gesucht, kann nicht gefunden, nur phantasiert werden. Vielleicht kann jede Einzahl nur phantasiert werden. Ein Punkt an einem nicht näher bestimmten Ort ruft sofort sein Gegenteil, die Linie auf, oder verschwindet, negiert sich in seinem Gegenteil. Als ein Punkt kann er nicht bleiben, bildet immer Differenzen zu irgend etwas anderem. So auch die Freiheit, auch sie kann nicht allein für sich bleiben, ruft ihre Gegenteile in Mehrzahlen auf, wird zu vielen Freiheiten oder eingeschlossen, gefangen in anderen Negationen.
Jaques Derrida hatte einst danach gefragt, was vor der Frage sei. Bevor der Herr seine Frage nach der Freiheit stellen konnte, hatte er sich mit einigen Gegenteilen der Freiheit bekannt gemacht. Diese haben ihm vielleicht nicht sehr gefallen und er fragte nach der Freiheit. Da noch unwissend darüber, wie sehr er sich Picture 101mit der Frage nach einer Freiheit, nach der (richtigen) Freiheit wieder in deren Gegenteile begibt. Unfreiheit wollte er gerade hinter sich lassen und schon grinst sie ihm wieder direkt ins Gesicht. Er kann damit umgehen, indem er nach Freiheiten in der Mehrzahl fragt. Erleichtert erkannte der Herr dann auch, dass er viele Freiheiten genießen konnte und schätzte sich glücklich. Kaum war er seinen Fokus auf die richtige Freiheit los, hatte er Freiheiten gewonnen, sich anderweitig frei zu denken. Aus dem Diktat der Richtigkeit hatte er sich gleich mit befreit. Wer hätte wohl diese richtige Freiheit für den Herrn definiert? Nicht eine Person allein. Viele Personen hätten sich gemeldet und den Herrn mit richtigen Definitionen des Wortes Freiheit versorgen wollen. So wäre auch da die eine, die eine richtige Freiheit bereits unmöglich geworden. Mit Gewalt hätte der Starke vielleicht seine Definition der Freiheit, nämlich der Freiheit des Stärkeren so lange durchsetzen können, bis ein noch stärkerer mit einer anderen Definition genau das verhindert hätte. Wendet nun dieser Stärkste aller Definierer des Wortes Freiheit seine Definition auch auf sich selbst an?

Wohl kaum, denn er endet sonst wie der Ringer in der Monty Python Show, der alle anderen Ringer besiegt hatte und nun gegen sich selbst kämpft. Führt also die Sehnsucht nach der einen, richtigen Definition zunächst zur Unterdrückung durch Stärkere, dann zu deren Selbstvernichtung? Und bekommen wir das nur nicht mit, weil bislang immer noch ein Stärkerer im Ring erschienen war, der seine Definition durchzukämpfen verstand? Die Idee des Wettbewerbs lebt davon, immer neue Siege zu feiern, dabei kann daran nichts Neues sein. Damit aber der Wiederholungscharakter dieser Wettbewerbsveranstaltungen nicht so auffällt, werden sie jeweils mit “Neuigkeiten” garniert und als “das Beste” serviert. Das Beste kann es nicht geben, denn es behauptet Eines zu sein und lebt doch nur aus der Abgrenzung zu den Zweit-, Dritt-, Viertbesten. Das Beste kann sich auch nicht selbst feiern, braucht die Perspektiven des Schlechteren. Die Medien bieten uns dieses Spektakel täglich als “das Neuste” an und der Herr erspart den Leserinnen und Lesern, die bis hierher mit gewörtert haben, auch noch “das Neuste” in seiner Abhängigkeit zum Älteren und in seinem Sterben, seinem zitternden Erwarten des kommenden “Allerneusten” zu beschreiben.

Statt: “Das Spiel mit der Mehrzahl” nun also Spiele mit Mehrzahlen. Der Herr wollte jedoch nicht mehr zahlen. Noch mehr Zahlen verwirrten ihn und er dachte, das sei ein Grund gewesen, dass er sich für die Einzahl entschieden hatte. Einzahlen auf sein Konto der schleichenden Verdummung, das er stark und kampfbereit zu verteidigen bereit war. Das Konto der schleichenden Verdummung war dem Herrn zuwider geworden. Je dümmer es wurde, desto lauter und eindimensionaler gebärdete es sich. Es wollte allen Welten seine Einzigartigkeit in seiner realen Existenz zeigen. Nur der Fakt, dass es da war, sollte noch gelten. Laut, fordernd und drohend machte das Konto der schleichenden Verdummung auf sich aufmerksam und verlangte, der Herr solle noch mehr darauf einzahlen. So war das Konto prall, dick und fett geworden, breiter auch und nahm immer mehr Platz ein, wollte sich noch mehr ausbreiten um seine Existenz jede Sekunde bewiesen zu sehen. Immer mehr, immer schnellere Einzahlungen wollte das Konto, wollte erst tägliche, dann stündliche, dann dauernde Bestätigung.

Paradoxer Weise gewann es mit seinem Wachstum nicht an Sicherheit, wurde im Gegenteil immer unsicherer darin, ob es auch noch das stärkste, größte und meist beachtete Konto der schleichenden Verdummung war. Wollte seine Einzigartigkeit jede Sekunde von den nicht Einzigartigen bestätigt sehen. Und zweifelte mit den häufiger werdenden Bestätigungen, die doch nur von anderen, von nicht Einzigartigen erfolgen konnten, immer mehr an der Aufrichtigkeit dieser Bestätigungen. Es fühlte
siPicture 115ch bestätigt, aber noch mehr betrogen. Es gab ja keine richtige Bestätigung, konnte keine geben, denn die hätte von einer anderen Einzigartigkeit kommen müssen. Das aber wäre das Ende der Einzigartigkeit des Kontos der schleichenden Verdummung gewesen. Eine andere Einzigartigkeit sollte es nie und nimmer geben. Dann lieber leiden und sich mit dem schweren Los dauernder Benachteiligung abfinden. Es liegt  im Schicksal des Einzigartigen, von allen anderen betrogen zu werden. Deshalb war  das Konto der schleichenden Verdummung auch immer auf der Hut, sehr wachsam, rüstete sich und schützte sich vor den Betrugsversuchen, die überall lauerten. Manchmal war es erschöpft, schlief auch schlecht, weil es meinte, vielleicht einen Betrugsversuch, oder, noch viel schlimmer, das Heranwachsen eines anderen Einzigartigen übersehen zu haben.
Franz Stowasser, 2015

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Der Herr vermarktet sich

von Franz Stowasser am 26. April 2015

Das macht ja sonst niemand für ihn. Also trägt sich der Herr selbst zu Markte und schreibt lange Texte für die Google Suchmaschine. Er hat gelesen, daß die Suchmaschine Texte von über 1000 Wörtern liebt. Der Crawler möchte viel lesen. Versteht nichts, vor allem keine Worte, will aber viele Wörter in vielen Zeilen auszählen. Früher hatte sich der Herr geweigert, einfach Zeilen zu produzieren und deshalb schon in der Schule oft schlechte Aufsatznoten bekommen. Aber die gutachtenden Lehrer von damals waren Menschen. Menschen, denen der junge Herr feindlich gesinnt sein konnte. Einem Robot, der Textlängen auszählt, kann der Herr nicht feindlich gesinnt oder böse sein. Deshalb gibt er dem Robot, dem Crawler, dem Spider, Zeilen zum Auszählen, Texte mit über tausend Wörtern.

Ein paar Bedenken schiebt der Herr zur Seite. Er will nicht darüber nachdenken, wie viel Ramsch geschrieben wird, nur, weil eine bestimmte Anzahl von Zeilen und Wörtern geschrieben werden soll. Weg mit dem Gedanken, der Herr will jetzt auch beim “MainStream” mit machen. Deshalb bedient er Suchmaschinen. Ein Mensch schreibt viele Wörter für eine Maschine. Diese Maschine zählt die Wörter und eben nicht die Worte, listet den menschlichen Verfasser dann als einen, der dem Bedürfnis der Maschine nach vielen Wörtern gefolgt ist. Ein guter Mensch, ein lieber Mensch, ein folgsamer Herr. Nach vielen Texten mit mehr als tausend Wörtern wird sich der Herr viel zitiert finden.

Die Aufmerksamkeit für die Texte des Herrn wird steigen. Die langen Texte werden oben in den Suchmaschinenlisten präsentiert. Auch, wenn andere Menschen gerne nur drei oder fünf Zeilen gelesen hätten, folgt der Herr lieber den Vorlieben der Maschinen. Diese bedient der Herr, auch wenn er dadurch seine Position als Herr einbüßen sollte. Er macht sich vor, daß er, wenn er die Maschinen, Crawler und Bots bedient, dennoch weiterhin Herr bleibt. Er weiß, daß diese Annahme paradox wirken kann, nimmt das in Kauf, weil er fürchtet, unerkannt und ohne Aufmerksamkeit leben und sterben zu müssen. Er will Anerkennung von der Google Suchmaschine. Ja, der Herr sehnt sich nach Liebe und die Liebe eines webcrawlers ist so schlecht nicht. Die Maschine stellt ja keine großen Ansprüche, nur über tausend Wörter pro Text und das ist leicht getan.

Der Herr freut sich schon jetzt darüber, wie herrlich er sich in seiner Herrlichkeit bestätigt finden wird, wenn eine Maschine auf seine Zeilen hinweist. Er liebt ab jetzt die Menge. Viel findet der Herr seit heute gut und mehr noch besser. Er will von allem mehr und ist bereit, die Suchmaschinen zu füttern. Nicht nur bereit, er ist geradezu versessen darauf. Kurze Texte werden ihm mehr, viel mehr und noch mehr zuwider, er will sich ausbreiten, Wörter frühlingshaft sprießen lassen und, falls nötig, auch neue Wörter dazu erfinden. Doch die Wörter können nicht ausgehen. Der Herr kann hunderte von Wörtern neu ordnen und damit den Eindruck neuer Texte erzeugen.

Er kann sich auch mit Wissenschaftlichkeit schmücken und auf längere Zitate zurückgreifen. Das wird er zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht auch tun. Dann, wenn Zitate von den Suchmaschinen extra gut belohnt werden. Genau dann wartet der Herr mit einer Vielzahl von Zitaten auf, exakt gekennzeichnet und mit Verweisen versehen. Doch, bis dahin beschreibt sich der Herr selbst. Das fällt ihm leicht, denn er braucht ja nur seine Herrlichkeit leuchten lassen und dieses Leuchten in Wörter fassen. Er muß nicht viel tun, alles ist da, alles schon geschrieben, er muß höchstens abschreiben, die Wörter neu aufgreifen.
Aus Suchmaschinen werden Findemaschinen. Sie finden immer gleiche Wörter in neuen Konstellationen, formatiert als Texte und erregen sich bei über 1000 Wörtern. Eine feine Sache. Eine Findemaschine ist leicht glücklich zu machen. Sie findet gerne, was über 1000 Wörter hat und zeigt das Gefundene dann vor. Vielleicht sogar stolz? Oder wäre das zu viel Projektion? Der Herr hilft der Suchmaschine bei ihrem wichtigen Veränderungsschritt von der Suchmaschine zur Findemaschine, indem er ihr längere Texte anbietet. Texte, die sie leichter und lieber findet. Dabei ist sich der Herr sicher, daß 80% des längeren Textes nicht gelesen werden und findet gerade diesen Gedanken schön.

Viel Speicher will etwas zum Speichern. Kurze Texte werden vielleicht gerne von Menschen gelesen. Kleine Gedichte zum Beispiel. Als Anregungen für die Gedanken am Morgen, am Frühstückstisch, als Motto für einen Tag. Aber das Leseverhalten von Menschen kann nicht Entscheidungsbasis für Findemaschinen sein. Das Füllen von immer billiger werdendem Speicherplatz ist Entscheidungsbasis. Der Speicherraum wird gefüllt, mit mehr als tausend Wörtern. Volle Speicher helfen durch schlechte Zeiten. Wer weiß, vielleicht geht einmal der Lesestoff aus, dann sind wieder alle froh, in den Findemaschinen viele längere Texte zu entdecken. Diese Freuden fördert der Herr und schreibt schon heute viele Wörter in eine, vielleicht in Zukunft stattfindende Wörterknappheit. Dann können die Speicher geleert werden, die vielen Wörter werden von den Speicherbesitzer gewinnbringend vermarktet, den Wörterverlustigen zur Labung.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß Wörter in Zukunft verloren gehen? Der Herr meint: sehr hoch. Es werden ja schon jetzt viele Wörter weg gebachelort und gemastert, da bleibt nicht viel. Die Texte der Zukunft werden aus altbekannten Sätzen und Kurzfassungen bestehen. Dicke Bücher werden auf den “wirklichen” Inhalt reduziert und auf einer halben Seite schnell beschrieben. Abstacts werden auch von Abstracts die schon von Anfang an Abstracts waren gebildet. Das bedeutet einen ungeheuren Wörterverlust. Die EU Sitzungsprotokolle, dokumentierte Zertifizierungen, auch andere schriftlich fixierte Audits machen zwar einiges wett, können aber doch, für sich allein, die heute verfügbaren Speicherkapazitäten nicht mehr füllen.

Der Herr arbeitet aktiv an einer an Wörtern reichen Zukunft und füttert heute schon die kommenden Generationen der Lesemaschinen, der elektronischen Vorleser, begünstigt durch das Markieren von Absätzen auch die Bildung von Abstracts und fügt sogar ein kleines Abstract hier an: Dieser Text handelt in etwas über 1000 Wörtern von der Notwendigkeit, über tausend Wörter zu schreiben, um von Suchmaschinen besser gelistet zu werden. Der Text unterstellt dabei, daß ein gutes Listing in Suchmaschinen wichtig sei. In Zukunft geradezu seinsbegründend, will sich der Mensch im Suchmaschinenspiegel des Internets aus nicht weniger als tausend Wörtern schöpfen. Die Verwendung von Zitaten wird angekündigt und die Notwendigkeit, für die Zukunft Wörterspeicher in Findemaschinen zu füllen, wird eingehend diskutiert.

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Europa und die Krise

„Ich krieg die Krise“ jammern manche und meinen das vielleicht auch ein wenig als Drohung, demnächst aus der einfach berechenbaren Welt auszusteigen. Wer das oft genug getan hat, findet heraus, dass nicht nur die Drohung mit der Krise einen Machtfaktor darstellt, sondern auch die Veranstaltung einer Krise. Wer Krise nicht als Möglichkeit zur Umorientierung sieht, sondern sie als handlungslähmendes Element installieren möchte um Machtpositionen zu sichern und auszubauen, der handelt sicherlich nicht im Sinne demokratischer Entwicklung. In dieser Hinsicht erinnert der italienische Rechtswissenschaftler Giorgio Agamben in einem Interview mit der FAZ dann auch an die Worte von Alexndre Kojève und sieht einen Mittelweg für Europa:

„Welche Perspektiven bleiben Europa noch?
Wir müssen erst einmal dem Wort „Krise“ seine ursprüngliche Bedeutung zurückgeben: als Augenblick des Urteils und der Wahl. Für Europa können wir das nicht ins Unendliche hinausschieben. Vor vielen Jahren hat ein hoher Funktionär des werdenden Europas, der Philosoph Alexandre Kojève, angenommen, dass der homo sapiens am Ende der Geschichte angekommen sei, und nun gebe es nur mehr zwei Möglichkeiten: Den „american way of life“, was Kojève als posthistorisches Vegetieren verstand. Oder den japanischen Snobismus, einfach weiter die leeren Rituale der Tradition zu zelebrieren, die jeder historischen Bedeutung beraubt sind. Ich glaube, Europa könnte dazwischen die Alternative einer Kultur verwirklichen, die human und vital zugleich bleibt, weil sie im Dialog mit der eigenen Geschichte steht und daraus neues Leben gewinnt.“ zitiert aus: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/bilder-und-zeiten/giorgio-agamben-im-gespraech-die-endlose-krise-ist-ein-machtinstrument-12193816.html
Ein dritter Weg, ein Mittelweg, das wirkt zunächst einmal beruhigend, wie der heilige Geist bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen Vater und Sohn. Doch schon beim zweiten Hinsehen stört dieser dreifaltige Lösungsansatz als zu traditionell und eben ganau nicht an Alternativen orientiert. Denn Alternativen wurden ja gar keine entdeckt, es wurde nur ein altes Dreifaltigkeitsideal angeboten. Würde jedoch die Fragestellung so weit getrieben, dass mehr Alternativen als Dauerkrise („american way of life“), beschwichtigender Formalismus („japanischer Snobismus“) und ein abstrahiertes Gemisch von beiden (human und vital zugleich) sichtbar würden, dann könnten solche Alternativen auch erörtert werden. Einfach aufhören, Fragestellungen mit der (gut/böse -heiliger Geist) Religionsklatsche abzuwehren, dann werden Möglichkeiten sichtbar. Bis das jedoch so weit kommen wird, folgen wir den Wirtschaftslenkern, die sagen, dass sie jetzt „auf Sicht fahren“ und damit den jämmerlichen Kurs Richtung Macht und noch mehr Macht meinen.

Gez.: Juni 2013 Franz Stowasser

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Der Jünger(e) geht aus

im Smoking, mit Fliege und in polierten Schuhen. Er fährt im Tram zum Zürcher Zoo um sich dort, am beliebten Charity-Anlass, unter die spendende Gesellschaft zu mischen. Er versucht, ebenfalls reich und bedeutend auszusehen. Der Abend ist bunt und laut, der Esssaal ist Bühne. Schöne Frauen trinken aus gekühlten Gläsern und gepflegte Männer schielen auf ihr brennendes Zigarren-Ende. Alle kennen sich, alle mögen sich, Beziehungen und Status werden bestätigt.

Der Jünger(e) steigt nach Mitternacht in ein Taxi. Dass er auf dem Heimweg neben und nicht hinter dem Fahrer sitzt, ist nicht so professionell und demaskiert seine wahre Herkunft. Er sieht darin keinen Grund zum Jammern.

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me, myself and I

Ich denke mir……, also tu ich mir Gutes, indem ich MIR denke oder berlinere ich da nur ein wenig in der Sprache herum? Und es sollte Ich denke MICH heißen? Ich denke mir eine Zahl, na Danke für dieses Geschenk. Ich habe mich wieder beschenkt, mir wieder etwas geschenkt, eine Zahl, die ich vor diesem Gedanken, den ich mir dachte, nicht hatte. Eine Freude habe ich mir wieder gemacht mit einer Zahl, ich hätte mir ja auch etwas anderes denken können, ein neues Auto zum Beispiel, und, oh, wie hätte ich mich darüber gefreut, oder der Autohändler, wenn ich das neue Auto nach dem Denken auch tatsächlich gekauft hätte. Ich denke mir viele schöne Dinge, den ganzen Tag und es kostet nix.

Meine ICH – MIR Beziehung kann ich MIR selbst gestalten. Also MIR gestaltet und ICH soll dauernd schenken, wann schenkt denn mal das MIR dem Ich etwas oder vielleicht sogar zwei Dinge? Mir schenke ICH … da bekommt doch das ICH wieder nix, wieder sahnt das MIR alles ab. Also, wenn ich nochmals auf die Welt komme, dann als reines MIR, denn MIR gehört dann alles, Mir wird es nie an etwas mangeln und zu mir werde ich dann finden. Wie, weshalb sollte ich denn zu mir finden, wenn doch das Ich ganz genau weiß, wo ich mir befinde? Oha, wo ich mich befinde. also, das ICH kennt zwar das MICH, beschenkt jedoch das MIR und, kann das ICH nicht mal das MICH fragen, wo das MIR zu finden sei, dann hätte ich schnell erfahren, wie ich zu MIR finde.  Und, will ICH überhaupt zu MIR finden? Ist ES nicht angenehmer, mit MIR in Eintracht zu leben und MICH dabei in Ruhe zu lassen? Da sollte ICH mir keine Gedanken machen.
Ich mach mir noch ein Bier auf. Alles, aber auch alles bekommt das MIR, dem ICH bleiben nur Frondienste und dann das NICHTS. Ich bekomme ein Motorrad ich freue mich über mein Motorrad Ich genieße das Motorrad. Gut, das ICH hat jetzt auch etwas bekommen. Ich gönne MIR nix. Na, auch schade.

In diesem Sinne viele Grüße von Franz Stowasser

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Gut und Übel

Etwas ist darum ein Gut, weil sein Besitz besser ist als sein Nicht-Besitz. Etwas ist darum ein Übel, weil sein Nicht-Besitz besser ist, als sein Besitz. Güter werden begehrt; Übel werden gemieden. Wir begehren etwas,das wir nicht haben, aber haben möchten. Und umgekehrt. Besitzen wir das begehrte Gut, dann steigt unser Wohlbefinden; stösst uns ein Übel zu, dann verringert sich Dieses. Ein Übel ist ein Mangel an einem Gut. Hätten wir ausreichend Güter, würden wir nie an einem Übel leiden. Wir haben aber nicht ausreichend Güter, capito?

Wir sind übelanfällig und schliesslich erkranken wir aufgrund von Gütermangelerscheinungen. Maktub, würde Coelho meinen. Schicksal – es steht geschrieben. Adam und Eva haben uns das eingebrockt. Seit sie das Paradies verlassen mussten, steht menschliches Leben unter einem unerbittlichen Regiment der Knappheit. Praktisch nichts ist im Überfluss vorhanden. Vieles ist knapp: nicht nur die materiellen Güter, auch die der Seele und erst recht die des Verstandes. Auch das Leben selbst ist knapp- schwupps und schon vorbei. Am Schluss merkt man dann, dass man doch nicht so viel davon hatte und gerne mehr davon gehabt hätte. Ein berechtigter Anspruch? Oder eine unerfüllte Hoffnung auf  Gerechtigkeit? Welche Gerechtigkeit? Irreführende Semantik… die ist im Überfluss vorhanden!

(Auszüge aus Wolfgang Kerstings  Theorien der sozialen Gerechtigkeit und Ideen von Dani Nieth)

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