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When I’m 64…

Heute erwache ich zum ersten mal als 64-jähriger. Gesund und ausgeschlafen, froh und fröhlich, zufrieden und dankbar. Nichts ist anders und unglaublich, was mir das Leben bis heute alles geboten und ermöglicht hat: Eine unbeschwerte Kindheit in einem Einfamilienhäuschen mit beiden Eltern, zwei Schwestern, Hund und Garten und der Nonna in der Nähe. Viele Kinder in der Nachbarschaft, Spiele und Versteckis in Kornfeldern und naheliegenden Wäldern. Ein Badeweiher, eine Turnhalle, ein gelber Halbrenner (mein Traumvelo), ein schwarz-gold-lackiertes und frisiertes Mofa, Pfadfinder, Landleben, Sommerferien am Meer und Herbst- und Winterferien in den Bergen, Jugenddiscos und Rock’n’Roll, Verliebtheiten, Kunstturnen, Milchreis, Griesschöpfli und Riz Casimir mit gebratenen Bananen zum Geburtstag. Dann eine schwierige Lehrzeit (sämtliche primäre Interessen hatten zu dieser Zeit nichts mit der schulischen Ausbildung zu tun, wirklich überhaupt nichts), eine steile Karriere als Skiakrobat, zwei Jahre Militärdienst, sieben Jahre Freestyle-Weltcup, dazwischen ein abgebrochenes Ingenieurstudium in Luzern, Übergangsjobs, Abendschule für Betriebswirtschaft in Zürich und schliesslich drei Jahre Marketing bei 3M.

Auf der halben Strecke, also mit 32, Heirat, eine einjährige Weltreise und der Entscheid, wieder einmal ganz von vorne zu beginnen. 1991 zum ersten mal Vater und Einstieg ins Moderatorenbusiness – zuerst Radio, dann Fernsehen. Gründung der Produktionsfirma TVision und Geburt des zweiten Kindes. Internet-Startup sport.com leiten, Club Indochine gründen. Als Moderator und Redaktionsleiter zurück ins Fernsehen – diesmal mit RTL/ProSieben. Nur kurz, denn das Schweizer Fenster schliesst nach einem Jahr. Verhaltens- und Innovationstrainerausbildung in Murten. Partnerschaften mit THAZ, POET und 4YOU AG. Gründung der DANIKOM. Diverse Weiterbildungen im Schwarzwald und anderen Orten. Dozent am MAZ, der HSLU und Referent an der ETHZ. Zweite Heirat. Viele Reisen mit meiner Frau in entfernte Länder und ein Buch über das Jammern schreiben. Ein Haus auf der Buchenegg bauen und drei Katzen betreuen. Gründung der DANILUX mit zwei Deutschen Partnern und damit beruflich in den Fussstapfen meines Vaters.

Da stehe ich heute. Unendlich dankbar und demütig. Jeden Morgen unter der Dusche denke ich an die Menschen in den Schützengräben und Luftschutzkellern. An die mit Hunger und Durst, ohne Medikamente und Sicherheit. Es ist kaum erträglich – unser Überfluss, diese Möglichkeiten, diese Freiheit. Ich bin nicht religiös und habe trotzdem den Wunsch, irgend jemandem dankbar zu sein. Schicksal? Gott? Ganesha? Buddha oder Allah? Ach – Namen, Überzeugungen oder Titel helfen hier nichts. So versuche ich einfach, den ganzen lieben Geburtstag alles möglichst bewusst aufzusaugen, was mir so begegnet. Um sogar für die Dankbarkeit dankbar zu sein.

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Jammern verändert das Gehirn

Ach, ich hab es schwer.

Und ich bin nicht bereit, mein Elend alleine auszusitzen, deswegen kommt der Kollege in der Büroküche wie gerufen. Ich hole gerade Luft, da ist der Kollege schneller: Mensch, was hat er es momentan schwer. Seine jüngste Tochter zahnt, an Schlaf ist nicht zu denken. Dann hat ihm irgend so ein Idiot heute früh den Parkplatz weggeschnappt. Und überhaupt…

Tatsächlich dachte ich immer, Jammern sei gesund. Lass Deinen Frust raus. Friss nichts in Dich rein. Dabei ist (ständiges) Jammern überhaupt nicht gesund, wie die Wissenschaft inzwischen herausgefunden hat.

Jammern wird schnell zur Gewohnheit

Das Gehirn mag es simpel. Es will effizient arbeiten und sich unnötigen Aufwand sparen. Also legt es gerne Muster an, die später bei ähnlichen Situationen einfach wieder abgerufen werden. So entstehen Gewohnheiten. Nur ein paar Mal morgens aufgestanden, aus dem Fenster geschaut und übers Wetter geschimpft, und prompt speichert mein Gehirn ein Muster ab: Morgens aufstehen = Scheiss Wetter!

Beim nächsten Mal stehe ich morgens auf und hab schon „Scheiss Wetter!“ gerufen, bevor ich überhaupt aus dem Fenster geschaut habe (ist natürlich besonders tragisch, wenn ausgerechnet an diesem Tag die Sonne scheint). Und so geht das schlimmstenfalls weiter, bis ich eines Tages mit 80 im Schaukelstuhl sitze und meinen Enkelkindern von einem Leben unter durchweg schlechtesten Wetterbedingungen erzähle.

Laut Psychologe Jeffrey Lohr von der Arkansas University bleibt es aber nicht bei meiner Wetter-Aversion. Ich habe meinem Gehirn damit lediglich die Grundrichtung vorgegeben.

Nach einiger Zeit im Jammer-Modus sind meine Neuronen so vernetzt, dass meine Gedanken automatisch die negative Richtung einschlagen – egal, worum es geht.

Jammern steckt an

Oft fällt uns das aber viel eher bei anderen auf als bei uns selbst. Diese eine Freundin, die immer nur alles schwarzmalt. Der Chef, der aber auch immer was zu kacken hat. Mein Gott, wie die nerven mit ihrem ständigen Genöle!

Und manchmal manipulieren sie uns damit sogar. Der Hamburger Psychologe Michael Thiel sagt: „Menschen, die jammern, müssen nicht immer die Schwachen sein. Hier werden oft andere für die eigene Unzufriedenheit verantwortlich gemacht.“

Ich war mal mit einem Mann zusammen, der hatte dauernd Rücken. Dazu kamen Freunde, von denen er sich ausgenutzt fühlte. Ein Chef, der ihn einfach nicht befördern wollte. Erkältung. Die Sonne, die ausgerechnet dann zu grell war, wenn er gerade seine Sonnenbrille nicht dabei hatte. Die Tomaten im Salat, obwohl er den Salat ohne Tomaten bestellt hatte. Kurzum: die permanente Arschkarte. Nicht dass ich seine Probleme (na ja, zumindest einige davon) nicht verstanden hätte. Vielmehr hatte ich dauernd das Gefühl, all das, worüber er sich ständig beklagte, irgendwie ausgleichen zu müssen.

Also hab ich seinen Rücken massiert, ihm Tee gekocht und die Tomaten aus dem Salat gepickt, dumme Witze erzählt, um ihn aufzumuntern, versucht ihn zu motivieren. Das Ergebnis: Glücklich war er trotzdem nicht, stattdessen fand er nur immer neue Gründe, um zu jammern – und ich habe selbst angefangen zu jammern: über den Mann, der immer nur jammert. (Wie hieß der eigentlich noch mal? Hm, vergessen. Könnte am folgenden Studienergebnis liegen.)

Jammern macht vergesslich

Eine Studie der Stanford University belegt, dass Jammern einen Teil des Gehirns schrumpfen lässt: den Hippocampus. Der gehört zum limbischen System und ist für das Gedächtnis zuständig. Ewiges Jammern fördert also die Vergesslichkeit. Klingt im ersten Moment vielleicht nicht so schlimm. Bis man sich bewusst macht, dass der Hippocampus auch zu den ersten Regionen gehört, die bei einer Alzheimererkrankung geschädigt werden.

Jammern bedeutet Stress

Wir jammern nicht grundlos, irgendetwas hat uns geärgert, traurig oder wütend gemacht. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber wenn ich mich ärgere, dann bin ich selten entspannt dabei. Mein Herz rast. Meine Schläfen pochen. Ich bin unruhig und fahrig, als hätte ich eine Kanne Kaffee auf Ex gekippt. Der Grund: Wenn das Gehirn negative Emotionen wie Wut oder Ärger verarbeitet, gibt es Alarmsignale an den Körper weiter. Das Stresshormon Cortisol wird ausgeschüttet. Ein dauerhaft zu hoher Cortisol-Pegel soll das Risiko von Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Diabetes und Depressionen erhöhen.

Auswege aus dem Jammertal

Anstatt im Dauer-Modus zu jammern, lass uns dankbar sein. Für all die kleinen und großen Dinge in unserem Leben, die uns keinen Grund zu klagen geben. Dann regnet es eben an diesem Morgen, na und? Dafür wache ich in einem schönen Zuhause auf, habe ein gutes Kind – und nebenbei bemerkt ja auch noch einen Regenschirm. So polen wir unser Gehirn von negativ sofort (aber auch dauerhaft) zurück auf positiv.

Allein durch Dankbarkeit sinkt der Cortisolpegel nachgewiesenermaßen um 23%, wie die University of California in Davis bei ihren Nachforschungen herausgefunden hat. Bessere Laune, mehr Energie und weniger Stress – im Gegensatz zur „chronischen Jammeritis“ sind das doch „Nebenwirkungen“, mit denen es sich gut leben lässt, oder?

Diesen Text hat Romy Hausmann geschrieben. Ich kenne die Dame nicht und konnte leider auch nicht in Kontakt treten. Diese bestätigenden Zeilen fand ich irgendwo zufälligerweise im Web und habe mich sehr darüber gefreut. Es kommt darin zwar nichts vor, was ich nicht auch in meinem Buch „Jammern gefährdet Ihre Gesundheit“ geschrieben habe – einfach mit andern Beispielen und halt sehr erfrischend. Danke, unbekannte Romy.

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No handshake? New chance!

Zur Zeit ist Händeschütteln so ziemlich verpönt, teilweise sogar verboten. Komisch: Menschen stehen sich gegenüber, mit einem halbherzigen Lächeln auf dem Gesicht halten sie Abstand und wissen nicht, wie sie die momentane Situation zu meistern oder zu kommentieren haben. Das eröffnet die grossartige Chance, sich mit einer fremden Kultur zu befassen und zu schauen, ob man da was Schlaues übernehmen kann!

Der Hongi (das Nasenreiben) der Maori in Neuseeland ist zum Beispiel eher ungeeignet 😉 Von Japan hingegen kann man lernen und profitieren, denn Händeschütteln ist in Japan unüblich. Stattdessen verlangt die Etikette eine Verbeugung (Eshaku). Beim Verbeugen muss der Rücken gestreckt sein. Der Rangniedere muss der Waagerechten näher kommen und länger in der Verbeugung verharren.

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Wunderbar – das könnten wir doch 1:1 übernehmen! Und zwar ohne den komplizierten kulturellen Hintergrund, wer wann wie lange mit wem und so. Einfach eine höfliche Verbeugung einführen, anstatt einander die eventuell verseuchten Hände zu schütteln.

Man stelle sich vor, diese Verbeugung würde schon in der Schule zur Begrüssungsnorm. Eine echte Chance, in einer zunehmend ignoranten Gesellschaft wieder Höflichkeit und Respekt zu implementieren.

Es ist wie so oft: Man kann den Virus verteufeln. Oder man kann schauen, wo ein Gewinn des Verlusts drin liegt.

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Katzenjammer

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Ich glaube nicht an Reinkarnation und solche Dinge. Dennoch frage ich mich hin und wieder – einfach so als Gedankenspiel – als was ich im nächsten Leben (falls es das eben gäbe) geboren werden möchte.

Ich weiss es.

Als Katze. Als meine Katze. Als meine Katze in meinem Haus in ländlicher Umgebung. Ich meine – perfekter kann man es ja nicht haben.

  • Immer Fressen. Das Trockenfutterschälchen ist wie von Zauberhand permanent gefüllt, frisches Wasser ist gegeben, hin und wieder gibt es eine Knabberstange oder gar etwas Nassfutter und selbstverständlich regelmässig ein grosszügiges, rohes Muster vom Poulet, Kalbsplätzli, Fisch oder Entrecôte – je nachdem was die Herrschaften sich selber genehmigen. Und die Parfait-Tube im Kühlschrank ist für  für die extremen Notfälle allzeit bereit.
  • Immer Unterschlupf. Hier ein Körbchen, da eine Decke, dort irgendetwas. Wo Katzen sich auch hinlegen – es scheint immer bequem und temporär perfekt zu sein.
  • Immer Liebe. Sie brauchen nur ein wenig zu schnurren und um Menschenbeine zu streichen (meistens genügt ja bereits nur schon die Anwesenheit) und es gibt Instant- Streicheleinheiten, nette Sing-Sang-Kosenamen und viel menschliche Wärme.
  • Immer Abwechslung. Die Neugierde von Katzen ist grenzenlos. Und unsere Umgebung ist ein diesbezügliches Paradies: Wiesen, Felder, Büsche, ein Bach, Bäume, Ställe, Mäuse, Hühner, Kälber, Ziegen, Vögel, Grillen, Spinnen, usw. Somit ist es Ihnen nicht langweilig. Und wenn, dann nur für ein paar Sekunden – bis sie schlafen.
  • Nie Sorgen. Nie Sorgen?

Doch.

Katzen verhungern nach ihrem Empfinden rund fünf bis zehn mal am Tag. Jedes Geräusch, das ans Öffnen einer Verpackung von irgend etwas Essbarem erinnert, triggert in ihnen sämtliche Alarmglocken. Nach einer Zehntelsekunde erwachen sie und nach einer halben Sekunde stehen sie laut jammernd vor einem.  „Haaalt – was ist das? Ich komme zu spät, zu kurz, zu was-auch-immer! Gib!!“

Fuck you.

In dem Moment möchte ich keine Katze sein. Weil sie nicht entscheiden kann. Ich schon. Traratrara zum Kühlschrank, reinschauen, abwägen, entscheiden, rausnehmen, öffnen, geniessen. Geil. Ich am Steuerknüppel.

Entscheidungsfreiheit.

Wenn es ein Leben nach dem Leben gibt, dann bestelle ich hiermit beim Universum wieder ein Ähnliches. Es ist schon unglaublich, wie gut es uns allen geht.

Wenn man so denkt.

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Motivation

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Diese Aufnahme habe ich im Frühling in Sizilien gemacht. Spontan kam mir dabei „Motivation“ in den Sinn.

Zum ersten mal habe ich das Wort „Motivation“ als junger Mann im Militärdienst gehört.  „Motivieren Sie endlich Ihre Gruppe!“ forderte der junge Leutnant den noch jüngeren Wachtmeister auf. Obwohl ich das Wort bis anhin nicht kannte, begriff ich die Bedeutung sofort und fand damals, dass es sich recht intelligent anhört.

Vor Jahren kam mir das Buch Mythos Motivation von Reinhard K. Sprenger in die Finger. Sprenger unterscheidet zwischen Motivation und Motivierung. Motivation kommt von Innen, Motivierung von Aussen. „Alles Motivieren ist Demotivieren“ – das ist eine interessante Erkenntnis und für viele Führungspersonen zugleich eine provokative Aussage. Jedenfalls ist das Buch auch nach 26 Jahren aktuell und äusserst lesenswert.

Die Frau in der Kirche. Viel Motivation scheint hier nicht vorhanden zu sein. Vor dem Hintergrund der bröckelnden Mauer und einer schlaffen Italien-Fahne macht sie einen besonders tristen Eindruck. Nächste Station: Weltuntergang. Und dies ausgerechnet in heiligen Mauern, da wo so manche Menschen Trost suchen und Hoffnung schöpfen.

Da stellt sich die Frage: Kann Hoffnung motivieren? Oder ist Hoffnung die Basis für Motivation? Es kommt auch hier darauf an, aus welcher Perspektive man etwas betrachtet. Von Innen oder von Aussen. Der Frau in der Kirche empfehle ich, im Inneren zu suchen. Das Äussere, die Motivierung, funktioniert ja offensichtlich nicht. Sie soll sich irgendeine kleine Freude vor das geistige Auge zaubern und sich an etwas positives erinnern. Das muss nichts weltbewegendes sein. Da reicht schon ein Teller Pasta.

Basta.

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Frühlingsanfang

Der Geruch der Freiheit ist das, was einem in die Nase steigt, beinahe fassbar, wenn man entschlossen ist, sich zu erneuern, mit alten Mustern zu brechen.

Wenn man Bindungen loslässt und nicht mehr zu den ewig gleichen Machtspielen bereit ist.

Wenn man neue Situationen, vor welchen man sich immer gefürchtet hat, euphorisch angeht, wenn man verrückt ist nach Frühlingserwachen, nach Verliebtheit.

Wenn man mit leichtem Herzen Abschied nimmt, im Wissen darum, dass es nur Veränderung, nie Trennung gibt.

 

Ich weiss leider nicht, von wem diese Zeilen stammen. Vor einigen Jahren habe ich sie irgendwo gelesen und abgeschrieben. Gottseidank, denn diese wunderbare Prosa hat mich schon aus einigen Jammertälern geführt. Nicht nur im Frühling…

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Wir sind die Reichsten. Na und?

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Erst eben hatten wir es wieder einmal schwarz auf weiß. In der Sonntagszeitung war zu lesen: „Wir Schweizer sind die Reichsten der Welt.“

Und jetzt? Ich weiß momentan gar nicht so recht. Kann man darauf stolz sein, weil es Leistung bedeutet? Soll man sich schämen, weil übermässiger Reichtum zweifelhaft ist? Oder ist es einfach ein glücklicher Zufall, hier geboren worden zu sein? Und weshalb jammern denn ausgerechnet bei uns so viele Menschen?

Also – was jetzt? Soll ich mir vielleicht eine Goldmedaille umhängen und ein bisschen in der dritten Welt herumstolzieren? Oder mit offenen Armen an der Grenze stehen und rufen: „Kommet nur her. Es hat genug für alle!“ Soll ich überhaupt Regung zeigen wegen etwas, das schon lange Tatsache ist? Ich weiss ja seit meiner Kindheit, dass „es uns hier viel besser geht als jenen in Afrika“.

Ich könnte ja bei dieser Gelegenheit auch mal wieder die Gedanken sortieren… Was bedeutet das für mich als siegenden Schweizer, also meine Innensicht? Was bringt es mir, mit 6.28 Millionen andern Passbesitzerinnen und Passbesitzern auf dem 1. Platz zu stehen und auf 193 andere Staaten hinunter zu schauen? Ehrlich gesagt – ich schäme mich ein wenig. Ähnlich wie damals, als ich in einem klimatisierten Taxi durch Bombay gefahren bin, nackte Kinder mit schwarzen Fingernägeln an die Fenster geklopft haben und ich den Kopf weggedreht habe.

Der Vorteil unseres enormen Wohlstandes (dies betrifft nicht die rund 530’000 Mitbürger unter der Armutsgrenze) ist, dass wir reisen können. Wohin wir wollen. Viele sogar so oft und so lange sie wollen. Fantastisch! Und wir können es uns leisten, in luxuriösen Hotelanlagen am blauen Meer die tristen Verhältnisse in der Umgebung auszublenden.

Der Nachteil hingegen ist, dass so selten ein Bild und ein Gefühl vermittelt wird, was da Draussen wirklich los ist und wo ausgleichender Handlungsbedarf besteht.

Und wie sehen das die Andern? Die Ausländerinnen und Fremden? Sind sie ehrfürchtig, wohlwollend, neidisch, fordernd, aggressiv oder teilnahmslos? Logisch ist, dass Reichtum wie ein Magnet wirkt. Wo würde ich hingehen wollen, wenn ich in Armut aufgewachsen wäre? Was wäre ein lohnenswertes Ziel? Switzerland! Number one! Ich kann’s verstehen. Wer will denn schon nach Sierra Leone (letzter Rang) auswandern?

Mir gefällt es hier. Doch der wahre Reichtum hängt nicht vom Platz auf der Rangliste ab, sondern liegt in den schönen Erinnerungen und dem warmen Heimatsgefühl. Für mich waren das die Sechziger Jahre. Als ich noch ein Kind war sah man den Unterschied, wenn man mit dem vollbepackten Auto von Süden her – auf dem Heimweg aus den Sommerferien – über die Grenze in die Schweiz kam. Schon was Anderes. Viel sauberer. Kein Abfall neben den Trottoirs (Gehsteigen). Geranientöpfe vor den Fenstern schmucker Chalets, Fahnenmasten mit dem leuchtenden weissen Kreuz auf rotem Grund, frisch gemähter Rasen, geordnete Öffnungszeiten, bunte Vereinsanlässe, Bratwurst vom Grill. Die alten Werte eben. Gelebt, durch Sozialkontrolle aufrechterhalten und stolz sichtbar gemacht.

Und heute? Kaum noch Unterschiede zur weiten Welt. Egoismus pur. Autistische Smartphone-junkies an jeder Ecke. Augen auf den Bildschirm gerichtet, virtuelle Freunde, in den Ohren weitere Isolationsgeneratoren. Gestern war Rücksicht wichtig, heute der Black Friday. Profitieren und das 365 Tage im Jahr. Auf dem Land ist es besser, definitiv. Je weiter weg von den Zentren, desto mehr alte Heimat. Doch hier, mitten in der Stadt: Karriere, flächendeckendes Ich, grassierende Ignoranz. Me first! Von hippen Eltern vorgelebt und anerzogen. Hier findet die Individualisierung ihr tristes Ende und alles verschmilzt zu „one world“. Es sieht hier aus wie überall. Und es fühlt sich auch so an. Ausländer im Inland. Medial internationalisiert, instrumentalisiert, synchronisiert und letztlich grenzenlos entwurzelt.

Und nun sind wir (schon wieder) die Reichsten und treten auf der internationalen Geldbühne im Strahlenmeer daher. Schön. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Da könnte man ja durchaus auch mal hinschauen und sich überlegen, wieviel Schatten noch gesund ist.

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Sprichwörter und Co.

Irgendwann in den letzten Jahren habe ich zum Geburtstag ein Buch erhalten: „Alter spielt keine Rolle – ausser man ist ein Rotwein.“ Mit 222 Sprüchen für Junggebliebene . Danke… aus Anstand. Dummerweise steht keine Widmung drin. Ich weiss also nicht, von wem ich es bekommen habe und begebe mich hiermit auf Glatteis, wenn ich oute, dass ich es säuerlich lächelnd und ungelesen ins Bücherregal gestellt habe. Bis ich heute – zufälligerweise – wieder darauf gestossen bin, es heraus gezogen und mir den Inhalt angeschaut habe. Rein zufällig, random-mässig, versteht sich. Irgendwo aufgeschlagen, Finger rein, und zack!

Mark Twain (1835-1910): „Ich bin ein alter Mann und habe viele Sorgen kennengelernt – aber die meisten von ihnen sind nie Wirklichkeit geworden.“ Danke… diesmal von Herzen! Ein perfekter Anti-Jammer-Satz! Ist es nicht so, dass Jammern in unseren Zukunfts-Szenarien zu viel Raum einnimmt? Was wissen wir denn schon im Voraus? Und weshalb verdienen negative Gedanken Nahrung? Nonsens.

„Cross the bridge when you get there“ ist eine lohnenswerte Einstellung. Keine Ahnung, wer das mal gesagt hat – die Person steht für mich jedenfalls auf gleicher Höhe wie Twain. Und der würde wahrscheinlich auch meinen: „Exactly – that’s what i meant.“

Learning:

Weisheiten, Erklärungen und Lebensrezepte finden sich überall. Es ist eine Frage der persönlichen Offenheit, auch Zufällen eine Chance zu geben.

 

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12. September – Der Anti-Jammer-Tag

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Heute gibt es allen Grund, nicht zu jammern: Mein Buch „Jammern gefährdet Ihre Gesundheit“ kommt in die Läden und wird, wenn elektronisch bestellt, heute ausgeliefert. Juhuuu – ich deklariere den 12. September zum „Anti-Jammer-Tag“! International, national, regional, lokal oder individual: Egal. Hauptsache, mal mindestens einen ganzen Tag lang bewusst nicht jammern. Das ist immerhin schon mal für Viele ein Anfang. Klar – es gibt bedeutendere Tage. Den Welt-Aids-Tag am 1. Dezember oder den Valentinstag am 14. Februar und so. Doch was soll’s. Jetzt gibt’s vorsätzlich einen Zusätzlichen. Schliesslich sind wir alle hin und wieder mehr oder weniger gefährdet. Also los! Mit einer genügenden Portion Eigenverantwortung und ein bisschen Disziplin kann das 7-Tage-Entwöhnungsprogramm einiges bewirken. Die Beobachtungen, Anekdoten, Betrachtungen, Interpretationen, Literaturhinweise, Zitate, Verknüpfungen, Tipps, Anregungen und ein leicht schräger Test lassen sich locker lesen, sind verständlich und nachvollziehbar. Sie sollen anspornen, der inneren Motivation Nahrung geben und einfach mehr Auswahlmöglichkeiten bieten, das eigene Leben – wenn nötig – um zu gestalten.

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Gestörte Bergfahrt

Zuerst hörte ich nur das Wort „Praxis-Transfer“. Es hat mich unsanft aus meinem eigenen Film gerissen. Ich stand tagträumend an der Türe der Uetlibergbahn mit Blick aus dem Fenster auf die schöne Stadt Zürich und spürte, dass dieser kontemplative Moment nun vorbei war. Dass ich mich nicht mehr auf meine Gedanken konzentrieren und nicht mehr nicht zuhören konnte. Danach kam „Ressourcenorientierung“ und es schien, dass sich rund 40 Zentimeter hinter mir zwei Frauen austauschten, die in der faszinierenden Welt der Erwachsenenbildung, mit Schwerpunkt Coaching, gewaltfreie Kommunikation und konstruktiver Feedback-Kultur, ihr neues Bewusstsein und eine höhere Stufe von Achtsamkeit gefunden hätten. Alles macht Sinn und lässt sich erklären. Endlich. Esoterik war früher. Wie konnten wir nur.

A: Es ist vor allem  eine Frage des Rollenbewusstseins und wie ich dann von den Teilnehmern wahrgenommen werde. Dazu fehlt mir die Praxis. Und auch entsprechende Handouts.

(Immerhin Reflexion und Selbsterkenntnis….)

B: Vertrauen braucht Zeit. Fordere konkrete Rückmeldungen ein. Rein auf der sachlichen Ebene. 

(Ok, die Expertinnen-Schiene….)

A: Ich bin letztlich auch nur ein emotionaler Mensch, trotz des konstruktiven Vorsprungs. Nicht wie Maria.

(Billige Ablenkung….)

B: Ich finde, Maria blendet oft die Tatsachen aus, das Objektive.

(Mobbing….)

A: Sie hat wenig Erfahrung in Selbstdarstellungsrunden. Sie redet bereits von Lösungen, bevor sie sich die zentralen Fragen stellt. 

(Whooo, jetzt wird potenziert….)

B: Es ist eine Frage der Methodenkompetentz. Zentral oder nicht. Sowohl-als-auch anstatt entweder-oder.

(Destruktiv)

A: Was soll am Ende geklärt sein? Und wer zeigt sich für die Nachhaltigkeit verantwortlich?

(Ablehung von Verantwortung)

B: Eben. Alle. Resourcensharing und Commitment. Auch wenn viele mit diesen Schwebezuständen nicht umgehen können.

(Na bitte. Die Dozentin. Abrakadabra. Sie weiss es und kann es.)

A: Das wird die Entscheidungsqualität letztlich nicht beeinflussen und die natürlichen Führungskräfte werden sich unaufgefordert zeigen. Das Organigramm soll bottom-up entwickelt werden. Wie stellen genügen FlipCharts, Farben und Verkleidungsgegentände zur Verfügung.

(Schon wieder eine klassische Reproduktion von Vorgedachtem und Vorgemachtem)

B: Eine 360° Beurteilung des Verhaltens ist somit gewährleistet. Wir werden die relevanten Aussagen mit den Teilnehmenden reflektieren und zusätzlich nach Schultz von Thun auf der Meta-Ebene analysieren. 

And so on… Ich konnte nicht weghören. Ein Vokabular von Faszinierten. Ein Bullshit-Bingo der Therapeuten-Szene. 

Wie alt sind sie wohl, die zwei Damen? Haben sie Kinder? Einen Mann? Eine Freundin? Eltern, Katzen, Geschwister? Oder nur Gleichgesinnte, Zertifizierte? Macht ihnen das Leben auch Spass, ohne dass sie es gleich reflektieren und kategorisieren müssen? Tragen sie atmungsaktive Wanderkleidung und haben genügend Wasser und einen Regenschutz dabei? Vegan? Pferdekalender aus der Camargue an den Wänden und Kunstseideblumen in mundgeblasenen Vasen in der Vitrine?

Ich weiss es nicht, weil ich mich nicht umdrehen mochte. Ich habe mich in diesen Bilden, Illusionen und Clichées gesuhlt. 

Das wahre Abenteuer beginnt im Kopf.

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