Glaubenssätze, Glück, Ideen und Gedanken, Persönliche Erfahrungen, Reisen, Religion

Oman? Oh Mann!

Ehrlich gesagt ist mir die arabische Kultur nicht sehr nahe. Datteln, Tee, Turbane, Dishdashas, Hidschabs, Nasen reiben und feilschen sind weniger mein Ding. In Moscheen fühle ich mich nicht zuhause und auf den belebten Märkten bin ich immer leicht im Stress. Ich versuche nämlich krampfhaft den Augenkontakt mit den Händlern zu vermeiden, denn sie könnten sonst Hoffnung schöpfen und mich ansprechen. Sorry – ich habe schon alles und Souvenirs sammle ich nicht. Und ich lasse mich auch nicht über den Tisch ziehen. Doch meine Frau wollte unbedingt einmal da hin und so war das Geburtstagsgeschenk vorerst auch eine Opfergabe.

„Was, du verbringst deine Ferien im Oman? Das ist doch gefährlich da unten! Die Araber – du weisst ja, IS und so. Ich würde da nicht hinfliegen..!“

Das sind die spontanen Reaktionen von Westlern. Von solchen, die Schweissausbrüche kriegen, wenn sie nur schon arabische Schriftzeichen sehen. Von denen, die sich gerne jammernd in der Komfortzone bewegen und sich hinter allgemeinen Überzeugungen tarnen. Von solchen, die lieber nachschwatzen als persönliche Erfahrungen machen.

So kam es, dass wir uns ins Abenteuer stürzten. Das ist allerdings eine sehr dramatische Darstellung, denn wir buchten ein tolles Hotel und leisteten uns einen privaten Guide. Entlang dem sauberen Meer führte uns Mohammed während fünf Tagen durch sein Heimatland: In die Berge mit 3000-ern und kühler Luft. Durch Süsswasser-Wadis und wilde Schluchten zu Souqs und Viehmärkten. In die fantastische Wüste im Hinterland und über charmante Hafenstädte zurück zum Hotel.

Mohammed ist 32 Jahre jung und hat keine Frau, weil er keinen „proper job“ hat. Er trinkt keinen Alkohol, raucht nicht und kann locker 12 Stunden am Stück schlafen. Er mag Datteln und Kaffee, hat 15 Kilo abgenommen und redet sehr gut Englisch. Er kennt keine Stereotypen – Menschen und Nationen sind für ihn einfach anders und grundsätzlich interessant. Er regt sich nicht auf. Mohammed kennt die Geschichte seines Landes, redet mit uns über Träume, Sultan Qaboos, den Schengenraum und Sex vor der Ehe. Und er fährt sehr behutsam mit seinem blitzblanken Toyota Landcruiser.

Mohammed als Husaini haben wir bereits nach einem Tag vermisst. Was für eine bereichernde Begegnung! Mit den Füssen im kühlen Wasser über Gott und Allah und die Propheten zu reden hat mir gut getan. (Keine Angst: Ich werde nicht konvertieren. Weil es für Agnostiker nichts zu konvertieren gibt.) Ich bin für diese Begegnung einfach dankbar, weil sie meine partiell verhärteten Konturen aufgeweicht hat. Es ist doch so: Jede Religion macht sich durch ihre Extremisten unbeliebt. Und jeder Glaube gibt vor allem Millionen von Menschen Hoffnung.

Einmal mehr kommen mir die genialen Worte von Gregory Bateson in den Sinn: „Weisheit entsteht, indem wir uns ehrlich zusammensetzen und unsere Unterschiede diskutieren, ohne die Intention, diese zu ändern“.

Shukran Mohammed.

Mohammed and me

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Glück, Ideen und Gedanken, Jammern, Realität, Reframing, Reisen

Abschied und Neubeginn

pusteblume

Was für ein pathetischer Titel, was für ein tendenziöses Bild. Die würden perfekt zur berühmten Glückskartenschreiberin Susan Polis Schutz und ihrer Zielgruppe passen. Aus einer andern Perspektive bieten sie eine praktische Anwendungsmöglichkeit für die wertvolle Kunst des Reframings, dem nachhaltigen Mittel gegen Jammern.

Es ist Herbst und das macht mir oft Mühe. Es riecht nicht nur nach feuchtem Unterholz und Pilzen, es riecht auch nach Abschied. Vorbei sind die langen Tage, die lauen Nächte, das Schwimmen im See, das Grillen mit dem Bier in einer Hand und die unkomplizierte Garderobe. Ich kann den Kopf hängen lassen, wie es jetzt nach und nach die Sonnenblumen tun. Dann passt sich mein Verhalten dem Rahmen an.

Oder ich setze ein neues Verhalten in die Gegebenheit. Mein Entscheid. Wie wär’s mit Fokus auf Neubeginn? Was ist oder wird jetzt angenehm neu?  Für die Augen traumhafte Lichtverhältnisse und viele Farben. Für die Nase Kerzenwachs, Zimt und Tannengeruch. Für den Gaumen Rotkraut, Marroni, Glühwein, Fondue (Käsesuppe) und Guetzli (Kekse). Für die Ohren keine Mücken mehr. Kuschelige Schals und dicke Daunenjacken um die kühle Luft zu geniessen.

Voilà.

Eine andere Möglichkeit ist, das Verhalten beizubehalten und den Rahmen zu wechseln. Verreisen zum Beispiel. Das ist vorübergehend heilsam und nicht Alle können es sich leisten. Da kommt selbst die Entscheidungsfreiheit an ihre Grenzen.

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Vergrößerte Reize

Der große Reiz. Das merkte ich wieder, als ich den Bildschirm des Rechners dunkler stellte, obgleich ich hier über Strom verfüge und alles Licht einschalten könnte. Doch eine helle Bildschirmbeleuchtung wird zum großen Reiz, und erzeugt eine Gewöhnung. Große Reize signalisieren die Ausschnitte der Welt grober, weil im Einzelnen heller und lauter. Wo bleiben dann die Zwischentöne und die Feinheiten der Betrachungen, in denen ja oft auch der Humor wohnt. Vielleicht geht der Humor genau so verloren. Mit dem Wegfall der Subtilitäten fällt auch die humoristische Situationsbetrachtung. Das wird vielleicht erst spät bemerkt, weil der Humor vorher durch Standardwitze ersetzt wird und durch vorgefertigte Standup Comedy. Standardwitze können dann schnell in Gut und Böse Kategorien eingeteilt weiden, damit die eine Kategorie verboten, die andere erlaubt werden kann. Die Normierung der Gesellschaft, des Denkens der Signale zu immer stärkerer Signalstärke. Die Normen immer klarer in + / – abgegrenzt. Wie lange können und wollen wir das aussitzen?

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Holy days

California is like – you know – sort of – totally like – oh my gosh! It’s kind of – you know – like awesome – it’s like more – like you know…

Wer für Beschreibungen meistens das Wort ‚like‘ braucht, erlebt die Realität als Metapher. Gehörtes Beispiel: „I was like walking on the beach.“ Spazierte sie am Strand oder hat sie es nur geträumt? Klar, man kann sagen, es handle sich hier nur um eine umgangssprachliche Sache. Das stimmt. Doch Sprache kreiert Realität. Und die Realität hierzulande kann mit der Zeit recht nerven.

Reisetipp: Augen auf und Ohren zu.

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Homerun

Nach 10 Wochen in Südostasien aus dem Rucksack gelebt, stehe ich morgens plötzlich gern vor dem Kleiderschrank und geniesse die Qual der Wahl. Das war vorher nicht so. Zeitlupentempo.

In Saigon (HCMC) leben rund 9 Millionen Menschen, die auf 7 Millionen registrierten Scooters die Strassen fluten. Irrsinn.

Die Bahnwagen 2. Klasse der SBB sind klasse. Sauber und pünktlich und klar angeschrieben. Vorher waren sie das nicht. Billetkontrolle.

Für 1 Dollar gibt es Suppen mit Tofu oder Nudeln mit Chicken oder süssen Reis mit Mango. Oder einen Granatapfelsaft. 2 Kilogramm Mangos gibt es für 80 Rappen. Schlaraffenschnäppchenland.

Flexible Vegetarier sind willkommen:

720 Jahre latenter Frieden versus 130 Jahre Krieg. Demokratie versus Unterwerfung. Kaffe crème versus Chilli-Schoten. Strikte Ladenschlusszeiten versus täglicher Überlebenskampf. Lichtsignalanlagen zu Dekorationszwecken. Es ist schon ziemlich anders.

Jetzt bin ich ja wieder da, bzw. hier und tanze entspannt ums goldene Kalb. Jammern war gestern, jetzt ist Dankbarkeit angesagt. Ablaufdatum?

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So schön…

… das Licht momentan. Ich liebe den Spätsommer, es ist meine allerliebste Jahreszeit. Das warme, ruhige Licht. So schön. Unglaublich. Das gibt es nur Jetzt. Im Frühling ist es schon auch schön, aber irgendwie anders, aufgeregter, nicht so wie Jetzt. Die Farben. So intensiv.

So etwas Schönes gibt es nur hier. Schau mal die Berge, die weissen Gipfel, der dunkelblaue Himmel, das satte Grün der Wälder, wahnsinnig, gell?! So ein Privileg, hier zu leben, Schweizer zu sein und sagen zu können: Meins. Hier und ich. Wunderbar. In solchen Momenten tun mir die Ausländer ein wenig leid. Sie stehen als dankbare Mieter im eindrücklichen Gesamtkunstwerk – ich als stolzer Eigentümer. Das ist schon ein spürbarer Unterschied, da zeigt sich, wem das Land gehört.

Meine hohen Gipfel, meine starken Bäume, mein enger Horizont.

 

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Eigendumm

Während ich so durch die Karibik reise, denke ich, wer wohl Eigentum erfunden hat. „Das gehört mir.“ Aha. Weshalb? Wie kann man eine Insel sein Eigen nennen? Sie besitzen? Besetzen ja, aber besitzen? Es gefällt mir nicht. Was auf den Informationstafeln über die Geschichte und die Entwicklung der Grenadineninsel (z.B. hier Union Island) steht, macht mich wütend.
Ureinwohner aus Südamerika haben vor x-tausend Jahren die Insel bevölkert. Sie riskierten die Überfahrt in eine fremde Welt mit kleinen Einbäumen, siedelten und lebten friedlich von Fischen und etwas Landwirtschaft.
Dann kamen die bärtigen  Eroberer aus Frankreich, England, Holland und Portugal. Sie kamen mit Sklaven, eroberten, mordeten, vergewaltigten, besassen und tauschten Inseln nach Belieben wie eine Handelsware. Das konnten sie nur, weil sie brutaler und stärker waren und andere Ziele verfolgten.
Ich stelle mir vor, wie und was das dazumal abgegangen ist. Ich täte das besser nicht, denn es trübt die fröhlichen Farben, die mich umgeben. Und ich tue es sehr wohl, denn dann verstehe ich, weshalb mich hier nicht alle Einheimischen willkommen heissen, nur weil ich etwas mehr Geld habe als sie.
Reisen ist schön. Und mit offenen Augen und Ohren besonders wertvoll.
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