Allgemein, Medien

Nachruf

Uriella

Uriella ist tot

In den vergangenen Jahren wurde ich oft gefragt: „Lebt Uriella eigentlich noch?“ Ich wusste es jeweils nicht, denn zum letzten mal habe ich sie und ihren Ehemann Icordo im Winter 1999 getroffen. Damals waren sie Gast in meiner RTL/Pro7-Sendung Klartext. Doch auch heute, bald 20 Jahre danach, zeige ich noch oft und gern Ausschnitte aus diesem Gespräch in Kommunikations-Workshops. Dabei geht es nicht darum, Uriella als besonders schräge Person darzustellen – das machen andere zur Genüge und sie selber hielt zu Lebzeiten weder mit ihrem Äusseren noch mit ihren Aussagen dagegen.

Uriella als Mensch

Als Journalist habe ich hunderte von Menschen interviewt, die meisten davon sind der Öffentlichkeit bekannt. Es war für mich immer besonders interessant zu beobachten, wie sich diese vor, während und nach der Sendung verhielten. Da gab vor allem zwei Kategorien: Die einen, die vor der Sendung freundlich mit Kameraleuten und Assistenten kommunizierten und auch nach der Sendung noch Zeit für einen Schwatz hatten. Und dann gab es die, die zeitlich ganz knapp kamen, kaum Zeit für ein Hallo und schon gar keine für ein Adieu hatten.

An Uriella und Icordo erinnere ich mich besonders gern. Ich traf die Beiden draussen vor den Studios Leutschenbach nach der Sendung auf dem Parkplatz. Obwohl wir uns erst vor wenigen Minuten verabschiedet hatten, freuten sie sich richtig, mich nochmals zu sehen. Sie wollten unbedingt beim Einladen von zwei Kisten helfen und schliesslich plauderten wir noch eine fröhliche Viertelstunde neben unseren Autos.

Klar – Uriella war schräg und nicht normal, weil sie nicht der Gesellschaftsnorm entsprach. Doch das machte sie eben gerade interessant und für TV-Journalisten zur Quotengarantie. Mit diesem Wissen haben wir sie damals eingeladen. Im Nachhinein finde ich es schade, dass ich ihr damals vor laufenden Kameras keine schlauen Fragen gestellt, sondern sie einfach – der Zuschauerzahlen zuliebe – schubladisiert und karikiert habe. Sie erklärte mir zum Beispiel, dass sie sitzend, mit den Handflächen nach oben gerichtet, Signale des Universums empfange und so die Stimme Gottes höre. Und ich Depp antworte mit: „Sie sind also nicht selbständig.“ Hahaha – ein typischer Journi-Schenkelklopfer! Dinge, die man als Moderator halt so sagt, damit einen die Kollegen toll finden…

Heute würde ich Uriella fragen, wie sich die Stimme Gottes anhört, wie sie von den Händen in den Kopf gelangt, was da oben ankommt und was sie als „Sprachrohr Gottes“ gegebenenfalls filtert. Nur weil ich nichts diesbezügliches höre oder spüre, heisst es nämlich noch lange nicht, dass so etwas nicht existiert. Ist doch so, oder? Es ist  verdammt viel einfacher, sich hinter Klischees zu verstecken und hinter vorgehaltener Hand abschätzig zu lächeln. Wie sang schon Herbert Grönemeyer: Wir werden dosiert zensiert, Menschen achtlos diffamiert – wie eine träge Herde Kühe schau’n wir kurz auf und grasen dann gemütlich weiter.

Uriella? R.I.P.

 

 

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Glaubenssätze

Sehr beliebt: Die Autoansprache

Aus dem Auto in die Welt. Wir wissen ja, die besten Gedanken kommen uns dort in den Sinn, wo wir nichts aufschreiben können oder nichts zum Aufzeichnen dabei haben, zum Beispiel im Auto. Wir denken beim Fahren, dann  ändert sich die Verkehrssituation und schon haben wir wieder vergessen, was wir der Welt mitteilen wollten. Es gibt jedoch heute Methoden, wichtige Ansprachen, Auffoderungen und Bitten an die Welt auch zu Gesicht und Gehör zu bringen. Hier:

Welche sind eure Autoansprachen?

Postet einen link,  macht ein klein bisschen mit.

Viele Grüße

Der Zuhörer/schauer

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Glaubenssätze

Neulich

traf ich einen alten Freund in einem Internet-Cafe in Berlin. Zunächst erinnerte ihn das Bild, das er sich von mir durch seine tränenden Augen machte, nicht an den, der ich einst war. Doch dann, nach einiger Zeit und ein paar reboots hat er mich doch erkannt und gelächelt. Etwas müde gelächelt und auf meine Frage, was den anstünde, geantwortet: „das Internet hat mich verloren“. Ja was, dieses weltweite Datennetz, das doch alle und jeden erfasst, das in den keywordclouds auch den kleinsten Kaufwunsch aufspürt, das soll Dich verloren haben? „Ja“, sagte er, „das Netz muss Löcher haben und durch eines bin ich gerutscht.“ Das war mir neu, das Internet soll Löcher haben, konnte ich mir nicht vorstellen. Sofort tippte ich meinen Namen in die Suchmaschine und, Gott sei Dank, es gab noch Nennungen, weniger zwar als noch vor einer Woche, aber es gab noch Nennungen. Doch, bei genauem Hinsehen viel weniger Nennungen als noch vor einigen Wochen. Was, wenn dieser Trend anhielt, was, wenn die Suchmaschine einfach immer mehr Nennungen tilgt, einfach raus fallen lässt, was, wenn es einst nicht einmal mehr ein Loch braucht und ich einfach durch die Maschen falle? Gibt’s da schon eine Selbsthilfegruppe? Ich hab‘ eine ganz neue und sehr zeitgemäße Neurose entwickelt: „Netzverlust“. Fische freuen sich wahrscheinlich, wenn sie durch ein Loch im Fangnetz schlüpfen können, noch einmal in die Freiheit. Ich nicht, denn wer garantiert mir, dass außerhalb des Internet so was wie Freiheit existiert, vielleicht ist da alles immer dunkel und mich gibt es dann nicht mehr. Ich fasste den Freund bei den Schultern um zu spüren, dass er noch existiere. Er war noch da, aber innerlich schon etwas hohl, fast hätte ich durchgreifen können.

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Glaubenssätze

Moderne Zeiten

können gute Zeiten sein, schnelle Zeiten, intensive Zeiten. oder aber die illusion von Geschwindigkeit (Google zeigt mir jetzt keywordranks von Artikeln, die ich 2005 geschrieben hatte 😦 )
„Man sagt heute nicht mehr „Jugend“, nein! Die Jungen heißen heute Digital Natives, weil sie schon mit fünf ein Handy hatten, ohne das keine ungestörte Persönlichkeitsentwicklung im Digital Age möglich ist. Oma sagt: „Bald darfst du zur Schule. Brauchst du da nicht ein Handy zum Geburtstag?“ – „Wehe, ich bekomme ein Handy! Ich will ein Smartphone! Wehe, ich bekomme eins mit Tasten! Wehe, eines von (ups!), was Papa hat!“ Digital Natives fragen die Mama: „Ma, von welchem Portal habt ihr mich gedownloadet?“ Und Papa bittet: „Pass auf, meine Kleine, wir machen einen Deal, weil ich mit dem Computer absolut nichts blicke. Du arbeitest für mich im Home-Office für meine Firma und ich mache dafür deine analogen Hausaufgaben, die seit Humboldt die gleichen sind, die kann ja noch jeder wie ich, der aus der Steinzeit stammt.““ zitiert aus: Sinnraum

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