in Anzug und Krawatte. Hier sitzt er, sehr gut angezogen, im maßgeschneiderten Tuch und schreibt für sich, allein. Ist er jedoch aufgefordert, bei einem sozialen Anlass zu erscheinen oder gar einem Geschäftsessen beizuwohnen, so legt er die alte Lederjacke über den verwaschenen Pullover und entschuldigt sich damit, dass er gerade von draußen käme. Der Herr erntete dafür in letzter Zeit weniger Verständnis, aber wegen seines Alters mehr Akzeptanz und auch stillen Neid.
Archiv der Kategorie: Glück
me, myself and I
Ich denke mir……, also tu ich mir Gutes, indem ich MIR denke oder berlinere ich da nur ein wenig in der Sprache herum? Und es sollte Ich denke MICH heißen? Ich denke mir eine Zahl, na Danke für dieses Geschenk. Ich habe mich wieder beschenkt, mir wieder etwas geschenkt, eine Zahl, die ich vor diesem Gedanken, den ich mir dachte, nicht hatte. Eine Freude habe ich mir wieder gemacht mit einer Zahl, ich hätte mir ja auch etwas anderes denken können, ein neues Auto zum Beispiel, und, oh, wie hätte ich mich darüber gefreut, oder der Autohändler, wenn ich das neue Auto nach dem Denken auch tatsächlich gekauft hätte. Ich denke mir viele schöne Dinge, den ganzen Tag und es kostet nix.
Meine ICH – MIR Beziehung kann ich MIR selbst gestalten. Also MIR gestaltet und ICH soll dauernd schenken, wann schenkt denn mal das MIR dem Ich etwas oder vielleicht sogar zwei Dinge? Mir schenke ICH … da bekommt doch das ICH wieder nix, wieder sahnt das MIR alles ab. Also, wenn ich nochmals auf die Welt komme, dann als reines MIR, denn MIR gehört dann alles, Mir wird es nie an etwas mangeln und zu mir werde ich dann finden. Wie, weshalb sollte ich denn zu mir finden, wenn doch das Ich ganz genau weiß, wo ich mir befinde? Oha, wo ich mich befinde. also, das ICH kennt zwar das MICH, beschenkt jedoch das MIR und, kann das ICH nicht mal das MICH fragen, wo das MIR zu finden sei, dann hätte ich schnell erfahren, wie ich zu MIR finde. Und, will ICH überhaupt zu MIR finden? Ist ES nicht angenehmer, mit MIR in Eintracht zu leben und MICH dabei in Ruhe zu lassen? Da sollte ICH mir keine Gedanken machen.
Ich mach mir noch ein Bier auf. Alles, aber auch alles bekommt das MIR, dem ICH bleiben nur Frondienste und dann das NICHTS. Ich bekomme ein Motorrad ich freue mich über mein Motorrad Ich genieße das Motorrad. Gut, das ICH hat jetzt auch etwas bekommen. Ich gönne MIR nix. Na, auch schade.
In diesem Sinne viele Grüße von Franz Stowasser
Homerun
Nach 10 Wochen in Südostasien aus dem Rucksack gelebt, stehe ich morgens plötzlich gern vor dem Kleiderschrank und geniesse die Qual der Wahl. Das war vorher nicht so. Zeitlupentempo.
In Saigon (HCMC) leben rund 9 Millionen Menschen, die auf 7 Millionen registrierten Scooters die Strassen fluten. Irrsinn.
Die Bahnwagen 2. Klasse der SBB sind klasse. Sauber und pünktlich und klar angeschrieben. Vorher waren sie das nicht. Billetkontrolle.
Für 1 Dollar gibt es Suppen mit Tofu oder Nudeln mit Chicken oder süssen Reis mit Mango. Oder einen Granatapfelsaft. 2 Kilogramm Mangos gibt es für 80 Rappen. Schlaraffenschnäppchenland.
Flexible Vegetarier sind willkommen:
720 Jahre latenter Frieden versus 130 Jahre Krieg. Demokratie versus Unterwerfung. Kaffe crème versus Chilli-Schoten. Strikte Ladenschlusszeiten versus täglicher Überlebenskampf. Lichtsignalanlagen zu Dekorationszwecken. Es ist schon ziemlich anders.
Jetzt bin ich ja wieder da, bzw. hier und tanze entspannt ums goldene Kalb. Jammern war gestern, jetzt ist Dankbarkeit angesagt. Ablaufdatum?
So schön…
… das Licht momentan. Ich liebe den Spätsommer, es ist meine allerliebste Jahreszeit. Das warme, ruhige Licht. So schön. Unglaublich. Das gibt es nur Jetzt. Im Frühling ist es schon auch schön, aber irgendwie anders, aufgeregter, nicht so wie Jetzt. Die Farben. So intensiv.
So etwas Schönes gibt es nur hier. Schau mal die Berge, die weissen Gipfel, der dunkelblaue Himmel, das satte Grün der Wälder, wahnsinnig, gell?! So ein Privileg, hier zu leben, Schweizer zu sein und sagen zu können: Meins. Hier und ich. Wunderbar. In solchen Momenten tun mir die Ausländer ein wenig leid. Sie stehen als dankbare Mieter im eindrücklichen Gesamtkunstwerk – ich als stolzer Eigentümer. Das ist schon ein spürbarer Unterschied, da zeigt sich, wem das Land gehört.
Meine hohen Gipfel, meine starken Bäume, mein enger Horizont.
Der Herr schnarcht
und er schnarcht manchmal so laut, dass er nicht mehr im Liegewagen mit dem Zug fahren möchte, denn die Mitschläfer wirkten morgens sehr unausgeschlafen. Doch was stört er sich eigentlich an den Gesichtern der Mitschläfer? Er bedauert sie, wie er auch, hätte er sie denn, Nachbarn bedauern würde, die seine Musik mit anhören müssten. Der Genuss von Geräuschen scheint nicht so viel Freiwilliges zu haben wie das Betrachten eines Bildes. und vielleicht mindert gerade dieser Mangel an Freiwilligkeit den Hörgenuss, zumindest den Hörgenuss des Herrn. In Ländern mit wohlklingender Sprache wie Portugal oder auch an manchen Orten Italiens kann er die Reden der Leute als Musik empfinden und diese Musik genießen. Keine Sekunde hat er das Bedürfnis diese Musik verstehen zu wollen, im Gegenteil, ein Verständnis hinderte ihm am Genuss.
Glück – Pech – Glück – Pech
Glück besteht in der Kunst, sich nicht zu ärgern, dass der Rosenstrauch Dornen trägt, sondern sich zu freuen, dass der Dornenbusch Rosen trägt.
(Arabisches Sprichwort)
Jaja. Bestimmt. Wird schon so sein. Vielleicht nicht für alle gleich einfach zu meistern.
Glück bedeutet nicht, das zu kriegen, was wir wollen, sondern das zu wollen, was wir kriegen.
(Unbekannt)
Und wo liegt hier bitte der Unterschied? Ich will etwas und kriege es. Ich kriege etwas und will es. Mathematisch gleichbedeutend. In sich, auf der Zeitschiene betrachtet, ändern sich die Dinge. Das eine Wollen wird kriegerisch, das andere demütig. Von mir aus.
Eigentlich ein komisches Wort. „Glück“. Glück. Glück. Wenn man das so eine gewisse Zeit lang wie als Mini-Mantra vor sich hin denkt, redet oder liest verliert es nicht nur an Bedeutung, es wird fast lächerlich. Glück. Glükk. Ück. Ükkück. Haha. Hühü.
Fragen wir den Weihnachtsbaum:
Zuerst hatte er Glück. Wuchs in einer gepflegten Baumschule auf, nicht besonders wild, dafür behütet. Jahr um Jahr ahnte er, wie viel Glück er hatte, wenn er Weihnachten draussen, mit seiner immer kleiner werdenden Familie, erleben durfte. Denn kaum wurde es Winter, holten sie seine älteren Geschwister. Dieses Jahr hatte er Pech.
Der Weihnachtsmarkt war nicht romantisch, immerhin hatten sie ihm noch kein Netz verpasst – er stand auf wackeligem Stumpf, langsam ausblutend, in einen Stahlständer geschlagen, auf dem Pflastersteinbelag vor dem Rathaus, hatte etwas Umschwung und fror. Von Aussen war er schön anzusehen. Regelmässig, dicht und kräftig, schöner Doppelspitz, amputierte Wurzel. Er kam rasch weg und hatte Glück.
Drinnen, an der Wärme, wo es nach Zimt roch, wurde er geschmückt, behängt und bewundert. Man beachtete ihn, achtete ihn, liebte ihn. Es ging ihm gut. Im Vergleich zum Truthahn sowieso. Eigentlich wollten sie ihn bis zum 6. Januar stehen lassen. Dort in „seiner“ Ecke. Doch bereits an Sylvester wurde über ihn geschnödet und am nächsten Morgen kam er dran. Innert Rekordzeit abgeräumt, aus dem Ständer gezogen und aus dem Fenster geworfen. Pech.
Jetzt liegt er da, seit drei Tagen, man geht an ihm vorbei, nicht achtlos – doch tun kann man ja nichts mehr.
Ein Elch isst pro Tag zwei Tannenbäume. Aber nur die, welche nicht geschmückt wurden, also die Unverkauften. Wegen Lametta und Wachs und so.
Glück gehabt. Wer weiss.